Der Henker kommt als Konjunktiv

Könnte, hätte, vermutlich, was wäre wenn …… der Konjunktiv und dessen wortgewaltigen Beiwerke sind beliebte Mittel in der Berichterstattung, wenn die Tatsachen nicht ausreichen, um eine verbindliche Aussage zu treffen. Ob in öffentlicher Stellungnahme oder im persönlichen Gespräch: ist ein Verdacht bereits unterwegs, so mehren sich Vermutungen und Bewertungen, die weit über den Ursprung des Verdachts hinausgehen. So auch aktuell geschehen im prominenten Fall des Sepp Krätz. Der Wirt mehrerer erfolgreicher Gastronomiebetriebe in München und Wiesnwirt des Hippodrom steht derzeit „mit dem Rücken an der Wand“ – fast schon „am Pranger der öffentlichen Vorverurteilung“. Und warum? Weil er sich hinreißen ließ und aus einem Stressmoment im Festzelt eine falsche Reaktion erzeugte, die er bereut und für die er bereits die Konsequenzen gezogen hat. Und weil er als „Gastronom des Jahres 2011“ eine sehr öffentliche Präsentation zelebrierte, die übrigens von allen namhaften Politikern und Medienvertretern gerne besucht wurde, damit aber eine weitere Vorlage für publikumswirksame Geschichten lieferte. So entsteht ein Glashaus, aus dem zukünftige Aktionen meist nur sehr vorsichtig zu meistern sind. Der Super-Gau ist nun eingetreten. Sepp Krätz hält sich zurück, er bewegt sich mit Vernunft und kooperativ. Doch das reicht dem Zuschauer nicht. Man sucht die Sensation, das berühmte Moment der Schadenfreude und ist sich nicht darüber bewusst, dass möglicherweise ein irreparabler Schaden angerichtet wird, der einer sachgerechten Klärung aller Zusammenhänge vorgreift. Sepp Krätz hat gemeinsam mit der Staatsanwaltschaft München aufzuklären, wie es um seine ordnungsgemäße Steuerabgabe steht. Ein langwieriger Prozess der Recherche und auf Mitwirkung des in Verdacht Geratenen angewiesen. Der prominente Wirt und Geschäftsmann Krätz wird das sicher machen, denn für ihn steht sehr viel auf dem Spiel. Es geht um seine Vertrauenswürdigkeit, seine Reputation und um seine geschäftliche Zukunft.

„Hier wird das Fell schon verteilt, bevor der Bär erlegt ist“
Zwanzig Bewerber sind bereits vorstellig geworden, um das berühmte Hippodrom zu übernehmen. Die reguläre jährliche Ausschreibung für die Wiesnzelte hat einen besonderen Charakter erhalten. Sepp Krätz hat seine Bewerbung ebenfalls frist- und formgerecht eingereicht. Warum auch nicht? Nichts ist bislang geklärt, kein Urteil beschlossen im Sinne des Rechts. Er gilt als absolut unschuldig, solange man ihm nichts anderes nachweist. Die Unschuldsvermutung ist ein wichtiges Detail in allen Rechtsverfolgungen. Und auch wenn es dem einen oder anderen aus bestimmten Gründen nicht passt, so wird er sich dennoch gedulden müssen, bis entweder ein Schuldspruch die Türen für eigene Begehrlichkeiten öffnet, oder diese infolge einer Nichtverurteilung geschlossen bleiben. Und dennoch ist die Situation gefährlich. Man möge sich an andere Fälle erinnern, in denen trotz späterer Klärung und Rehabilitation des Vorverurteilten die Karriere beendet wurde. Darunter fällt ein ehemaliger CSU-Generalsekretär, ein prominenter Anwalt und CSU-Querdenker, auch ähnlich bekannte Wirte hat es auf dem Schafott-Schauplatz München in gleicher Manier schon erwischt. Somit alles bekannt, aber die Lust am Pech des anderen nimmt nicht ab. Die Öffentlichkeit wird zur Hinrichtung eingeladen und selbst wenn der vermeintlich Verurteilte überlebt, so hat er doch schwere Verletzungen zu erleiden. Es wäre tatsächlich zu wünschen, dass Verantwortung und eine richtige Einschätzung von Konsequenzen die Oberhand gewinnen und die Spirale der Sensationslüsternheit durchbrochen wird. Es gibt ein wesentlich interessanteres Zitat, welches sich für viele der aktuellen „Meinungsführer“ anböte: „Wer frei von Schuld ist, der werfe den ersten Stein“.

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