Pressemitteilung vom 15.05.2017
Bürokratische Sitzplatzordnung
Gegen den Trend einer notwendigen Entbürokratisierung werden immer mehr Verordnungen und Vorschriften erfunden
Fast könnte man glauben, dass sich die Verfasser von gesetzlichen Auflagen außerhalb jeglicher Realität befinden. Unzählige solcher Vorschriften erreichen auch die heimische Gastronomie. Aktuell wird um die „Sondernutzung des öffentlichen Raums“ in München gestritten. Die dafür eingesetzte Richtlinie wurde bereits 2014 veröffentlicht und wird jetzt deutlich rigider angewandt. Mit dem Ergebnis, dass wahrscheinlich ein Großteil der Münchner Gastronomieszene auf einige Sitzplätze vor dem Lokal verzichten muss. Weitere Umsatzeinbußen sind damit sicher gestellt. Ein ehemals lebendiges Straßenbild weicht der Pedanterie. Die betroffenen Wirte sind sauer, denn zum wiederholten Male werden sie um Einkünfte gebracht, die existenzielle Bedeutung haben. Warum gehen Politik und die Verwaltung eigentlich diesen Weg? Ist es falsch verstandenes Sicherheitsdenken? Ist es eine Spirale des Verordnungswahns? Man weiß es nicht genau, denn fragt man bei den verantwortlichen Behörden nach, erhält man entweder keine Antwort oder lediglich eine Erklärung des Vorgangs. Emotionale Betroffenheit Fehlanzeige. Kontra-Argumenten gegenüber eher nicht aufgeschlossen, denn schließlich wurde das ja beschlossen. Über Sinn und Unsinn so mancher Auflage ist also kaum zu streiten.
Im Detail geht es übrigens bei der streitbaren Frage darum, dass die Freischankflächen auf öffentlichen Gehwegen eingeschränkt werden. Zentimetergenaue Mindestdurchgangsbreiten lassen ahnen, dass pauschale Bestimmungen über jeglicher lebenswerter Individualität stehen. Man kann sicher nicht alles dem Einzelfall unterordnen, aber etwas mehr Augenmaß und Fingerspitzengefühl dürfte es schon sein. Ob dieser Gedanke jemals bei bürokratischen Prozessen Einlass findet, darf stark bezweifelt werden. Schon der erste Blick auf die Erklärung der Neufassung der Richtlinie für Sondernutzung in München reicht aus, um zu erkennen, mit welcher Wucht reglementiert und vorgeschrieben wird. Dem Gastronomen kann dabei angst und bange werden, denn häufig findet sich die konsequente Formulierung, dass Bußgelder drohen, hält man sich nicht an die exakten Vorgaben.
Mit ungebremstem Bürokratie-Eifer werden kleinere Betriebe malträtiert
Es ist kaum nachzuvollziehen, dass auf der politischen Großbühne gerne von Entbürokratisierung gesprochen wird, aber dieser Forderung im täglichen Leben keinerlei Beachtung geschenkt wird. Der Verwaltungsapparat lässt sich vom allgemeinen Trend nicht beeindrucken. Höher, schöner, weiter …. Verordnen, Verbieten, Sanktionieren. Ein Teufelskreis speziell für kleinere Gastronomiebetriebe, die zahlreiche Dokumentationspflichten zu bewältigen haben, die Zeit und Geld kosten. Man stelle sich einmal vor, was ein Lokal mit weniger als Hunderttausend Euro Jahresumsatz – das sind laut aktuellem Betriebsvergleich des Deutsches Wirtschaftswissenschaftliches Institut für Fremdenverkehr e.V. an der Universität München (DWIF) 50 Prozent aller Gastronomiebetriebe in Bayern – an Pflichten erfüllen muss: E-Check der elektronischen Geräte, Gas-Prüfung, Feuerlöscherprüfung, monatliche Fettabscheiderkontrolle, tägliche Kontrolle der Temperaturen der Kühleinrichtungen, Kontrolle von angelieferten Waren inklusive der Fahrzeuge und Fahrer. Das alles ist nur ein kleiner Auszug, was ein Gastronom neben seinem eigentlichen Geschäft leisten soll. Hinzu kommen Kontrollen des Finanzamts, der Sozialversicherer und weiterer Instanzen.
Der Verein zum Erhalt der bayerischen Wirtshauskultur e.V. VEBWK sieht in vielen Punkten durchaus Relevanz, aber auch Verbesserungsbedarf. Sehr praxisnah schlägt der VEBWK vor, dass man Dokumentationspflichten bis zu einer Vollmitarbeiterzahl von 10 Personen grundsätzlich aufheben sollte und unterstreicht diesen Vorschlag mit einer 20-Punkte-Liste samt Erläuterung. Die reicht vom Arbeitsmedizinischer Dienst, der für Kleinbetriebe völlig überflüssig ist, bis zu Arbeitszeiten zur Mindestlohnprüfung, denn ein Zeiterfassungssystem für zwei oder vier Mitarbeiter (meist sogar Familienmitglieder) zu installieren, dürfte selbst dem akribischsten Verfechter von bürokratischen Anforderungen als unsinnig erscheinen.
Bayerische Staatskanzlei orientiert Vereine – der richtige Weg auch für die kleinere Gastronomie
Die Politik hat den Bürokratiewust natürlich längst erkannt und versucht in Teilen dagegen anzusteuern. So wurde gerade ein „Bürokratie-Leitfaden für Vereine“ herausgegeben. Man will damit den ehrenamtlichen Vereinsverantwortlichen Hilfe leisten, damit das Vereinsleben im Paragrafen-Wust nicht auf der Strecke bleibt. Speziell die Vereinsfeiern werden beleuchtet, denn Haftungsfragen, Allergentabellen, Jugendschutz und Urheberrecht und manches mehr greifen auch hier. Allerdings sind die Vereinsfeste auch von Pflichten entbunden, die unnötig und praxisfern erscheinen. Und genau diesen Weg wünscht sich der VEBWK auch für gastronomischen Kleinbetriebe in Bayern: Gleiche steuerliche Behandlung und Bürokratieauflagen wie bei Vereinen für die Gastronomie, damit die Wirtshauskultur in Bayern erhalten bleibt, Wirte ihre Passion als Gastgeber leben können und der Verwaltungsaufwand an echten Bedürfnissen und Erfordernissen angepasst wird.
Kontakt: VEBWK Presse, Bodo Meinsen, Pressesprecher, T 089-90529072, Email: presse@vebwk.com